Page 7 - Mittendrin statt nur dabei
P. 7

                  Joseph II., der älteste Sohn von ‘Kaiserin‘ Maria Theresia, stand lange im Schatten seiner re- gierenden Mutter. Selbst als sein Vater Franz Stephan von Lothringen 1765 verstirbt und der mittlerweile zum Kaiser gekrönte 24-jährige zum Mitregenten ernannt wird, behält seine Mutter die Kontrolle. Seinen Reformeifer konnte Joseph daher anfänglich nur an relativ kleinen Projekten verwirklichen. So bewilligt er etwa mit 25 Jahren den öffentlichen Zugang zum Wiener Prater (1766). Seine großen Reformen erfolgten jedoch erst nach dem Tod von Maria Theresia ab 1780. Allerdings übersah er dabei oft die damaligen gesellschaftlichen Gegebenheiten...
                                                                     ‘Hanswurst‘ anno 1750
sich die Bezeichnung ‘Wurstelprater‘ bald für den Spielort einbürgerte. Da bei dieser Gelegenheit jedoch hin und wieder auch über die Obrigkeit gespöttelt wurde, riefen höhere Kreise früh nach einer Zensur.
Um das Publikum quer durch alle Gesellschaftsschichten nicht gar zu verschrecken, wurde daher zeitlich parallel die sanftere Figur des „Kasperls“ geschaffen. Diese kam im Gegensatz zum Hanswurst ohne Obszönitäten aus. Die neue Rolle wurde sowohl beim Puppenspiel als auch auf der Theaterbühne von Schauspielern dargeboten. Das 1781 gegründete Leopoldstädter Theater (in der heutigen Praterstraße Nr. 31) wurde mit seinem Star Johann Josef La Roche für diese Vorstellungen derart bekannt, dass es im Volksmund bald „Kasperltheater“ ge- nannt wurde. Auch für Reisende und Diplomaten um 1800 war es ein Muss, den Wienbesuch mit einem Besuch beim Kasperl aufzupeppen. Sogar der allgemein als ernst geltende Philosoph Hegel war dort und zeigte sich anschließend begeistert über das Wiener Kasperltheater ;-)
Ab 1850 erschienen dem Theaterpublikum menschliche Bühnenkasperln jedoch allmählich antiquiert. Die Rolle beschränkte sich daher zusehends wieder aufs Puppenspiel und wechselte nochmals ihren Charakter: Aus dem ehemals polternden Kasperl wurde nun ein „erwachsenes Kind“ – naheliegenderweise ohne Ehefrau, dafür aber mit Großmutter. In dieser kindergerechten Form ist der Kasperl als Puppenspielfigur noch heute bekannt. Sein buntes Kostüm hat er von seinem Urahn Hanswurst jedoch behalten. Und erfolgreiche Kämpfe mit „dem Bösen“ (oft mit dem Krokodil als ‘Drachen-Ersatz‘) bringen auch heute noch Kinderaugen zum Leuchten ;-)
                                  S tyles
 27 MAGAZINE
          Gemälde: Karl Friedrich Flögel
Gemälde: Schloss Schönbrunn/Imagno/Bearbeitung: 3-SAT
 

























































































   5   6   7   8   9