Page 8 - Das Herz des Reiskorns
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FERN
FERNOST
OST
 Großgrundbesitzer ins Brauereigeschäft einsteigen. Ein die Allgemeinheit betreffendes Recht zur Her- stellung von Sake ließ jedoch lange auf sich warten. Erst Kaiser Mutsuhito gestand im Rahmen seines ab 1868 erfolgenden Verfassungsumbaus (bei dem auch das Shogunat abgeschafft wurde) dem breiten Volk das Braurecht zu. Die neue Rechtslage hatte die Gründung von über 30.000 Sake-Brauereien innerhalb eines Jahres zur Folge. Erst die Einführung von neuen Steuern ließ deren Zahl auf rund 8.000 sinken.
Umbruch in der Brauszene
Um 1900 hielt dann durch die neuen naturwissenschaft- lichen Erkenntnisse auch in der japanischen Sake-Brau- szene der technische Fortschritt Einzug. Optimierte He- festämme wurden isoliert und emaillierte Stahltanks für Lagerzwecke wurden gebräuchlich. Und auch in gesell- schaftlicher Hinsicht gab es Neuerungen. 1904 erfolgte die Gründung eines nationales Forschungsinstituts und drei Jahre später fand der erste gesamtjapanische Ver- kostungswettbewerb statt. Gleichzeitig wurde aber die Freigabe des (unkontrollierten) Hausbrauens wiederum abgeschafft. Das hatte steuerrechtliche Ursachen. Zu dieser Zeit machten nämlich die staatlichen Einnahmen aus der Sake-Produktion immense 30 Prozent des japa- nischen Staatshaushalts aus. Dieser hohe Wert sollte
 Die Rolltreppen führen zum Check-in, der im zweiten Stock erfolgt. Am rechten Bildrand ist ein kleiner Teil des hoteleigenen ‘grab-and- go‘-Markts erkennbar.
  ackground
  basics
   Made in Japan
In Japan gibt es im Moment ungefähr 1500 Sake-Brauereien (was eine Hälfte des Werts von 1975 darstellt). Deren Produktionsmengen werden überwiegend im japanischen Inland getrunken. In den Export gehen nur relativ kleine Chargen zwischen 5 und 10 Prozent. Dieser geringe Anteil stammt wiederum überwiegend von den etwa zehn Großbrauereien, sodass spezielle Sake-Varianten im Westen (zu) wenig bekannt sind. Die Covid-Krise hat die Lage für die zahlreichen Kleinbrauereien, die oftmals über Jahrhunderte schon im Familienbesitz stehen, nochmals ver- schärft. Japans Regierung plant daher nun den Export von Sake und anderen alkoholischen Getränken anzukurbeln und will dafür 800 Produzenten auswählen und sie unterstützen. Der Export von Sake soll dabei bis 2025 auf 60 Milliarden Yen zu steigern, was einer Steigerung um das 2,5-fache gegenüber 2020 entspricht.
Eine Anmerkung noch an dieser Stelle: Im Widerspruch zu dem in der westlichen Welt gebräuchlichen Synonym ‘Reiswein‘ schmeckt Sake (Nihonshu) nicht wie Wein und man sollte sich auch kein weinähnliches Bouquet erwarten. Dafür ist alleine schon der (Frucht)Säuregehalt beim Sake zu gering. Da das Preisniveau von stark polierten Sake-Sorten jedoch durchaus mit dem Segment teuerer Rotweine mithalten kann, ist bei dezitierten Weinliebhabern eine bestimmte Experimentierfreude gefragt. Auf dieses Faktum kann man sich als Weinfeund:in einlassen – muss es aber nicht. Sofern man diese Vorgabe akzeptiert, erweitert die Beschäftigung mit dem Thema Sake jedenfalls den Blick auf die gastronomische Kulturgeschichte.
  18 S tyles MAGAZINE
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