Page 4 - Drehers Kornkammer
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Jan Anton Wünschek begrüßt uns am Eingang zur ‘Kanzlei‘ im Gutenhof bei Himberg. Das Anwesen liegt knappe zehn Kilometer von der Schwechater Brauerei entfernt und befindet sich seit dem Jahr 1903 in Fa- milienbesitz. Jans Urururgroßvater Anton Dreher sen. hat im Jahr 1841 den Biertyp ‘Wiener Lager‘ entwi- ckelt, der als Stammvater aller Lager-Biere moderner Machart gilt.
natürlichen Hefegemisch ein Stamm zum Zug kommt, der seine ‘Arbeit‘ relativ langsam verrichtet. Nach dieser längeren Reifung ist das fertige Bier aus mikro- biologischen Gründen überdies auch besser haltbar. Sofern man die unmittelbare Umgebung kühl hielt, konnte es auch über die Sommermonate frisch gehal- ten werden, woraus sich bis heute die Bezeichnung ‘Lagerbier‘ ableitet. Anton Dreher hat also das Prinzip der Reifelagerung nicht prinzipiell erfunden, sondern die bereits seit dem Mittelalter bekannte Braumetho- de auf eine durchdachte Basis gestellt, die allerorts realisierbar war. Modern gesprochen hat Dreher damit die internationale Trademark ‘Lager‘ erst geschaffen. Selbst Braustätten, wo man sich vor 1841 wie in Kalten- hausen (Salzburg) auf eine gute traditionelle Kühlung (Windröhrensystem) verlassen hatte, wurden bald da- rauf zusätzlich mit Natureisblöcken bestückt. Die Er- findung der künstlichen Kühltechnik einige Jahrzehnte später machte dann nicht nur das ständige Heran- schaffen von Natureis obsolet sondern bescherte auch Anton Drehers Sohn eine Ausweitung des Geschäfts- erfolgs. Zudem war es ab diesem Zeitpunkt möglich, auch in warmen Weltgegenden ohne Natureisvorkom- men die Lager-Braumethode zu praktizieren.
Natureis : vor 1877 die einzige ‘künstliche‘ Kühlmöglichkeit...
Kühl wie in einem Bergfelsen
Drehers damaliges Erfolgskonzept basierte dabei auf zwei Säulen: Erstens schuf er auf eine genügend große Kapazität an mit Natureis befüllten Kellerräumen. Damit gewährleistete er konstant-kühle Be- dingungen wie in den seit dem Mittelalter bekannten Brau-Felsenkellern – aller- dings mit einem weit größerem Platz- angebot. Bei den dortigen niedrigen Temperaturen (zwischen 5 und 9 Grad) lagerte Anton Dreher dann seine mit sü- ßem, hopfigem Biersud gefüllten Holzfässer fürs Gären und Reifen mehrere Wochen. Diese Dau- er war für den Erhalt eines runden Bouquets auch un- bedingt notwendig, da unter kühlen Bedingungen im
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38 S tyles MAGAZINE
Der Lagerbier-Solist ‘Gerste‘
Die Gerste bzw. das aus ihr gewonnene Malz stellt die Hauptmenge der gelösten Bestandteile in einem traditionellen Wiener Lager. Für das Brauen eines Krügels werden von diesem Getreide rund 10 dag benötigt. Im Gegensatz zu einer Frucht, wie etwa einer Weintraube, enthält das Korn nur geringfügig Wasser und lässt sich daher praktisch nicht auspressen, um an dessen Inhaltstoffe zu gelangen. Zudem wäre diese Lösung im Gegensatz zu Traubenmost auch nicht zuckersüß und daher von Hefezellen nicht zu Alkohol umwandelbar. Relativ früh in der Menschheitsgeschichte wurde jedoch ein Weg entdeckt, um eine mit dem Most vergleichbare, süße, vergärbare Getreidelösung zu erhalten...
Wenn man die Körner einweicht und kurz keimen lässt, dann beginnen die enthaltenen Enzyme die Kornstärke in (Malz-) Zucker umzubauen. Bei Gerste erfolgt dieser Umbau besonders effizient. Werden diese vorbehandelten Körner daraufhin zerkleinert und mit Wasser aufgekocht, so erhält man nach Abfiltern eine süße Lösung, die von Hefepilzen (aus der Umge- bung oder beigefügt) zu Bier vergoren wird. Im Lauf der Jahrhunderte wurde dieses Verfahren verfeinert und dabei gleich- zeitig erkannt, dass sich nicht alle Getreidearten gleich gut für dieses Prozedere eignen. So gehört beispielsweise der Reis zur gleichen Grasgattung wie die Gerste – für die Umwandlung der Reisstärke in Zucker verwendet man jedoch besser einen speziellen Pilz, als dafür auf die natürliche Keimkraft im Reis zu vertrauen. Auf diese Weise entstand in China und Japan der Sake, der jedoch abgesehen von der ähnlichen Herstellungsweise mit dem Endprodukt Bier nur wenig gemeinsam hat. Wei- tere Getreidesorten neben der Gerste weisen zwar eine ähnliche spontane Enzymaktivität bezüglich der Zuckerbildung auf, haben jedoch im Gegensatz zur Gerste auch als (feste) Nahrungsmittel generell eine größere Bedeutung.
Grafik Mangera