Page 4 - Das Herz des Reiskorns
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FERN
FERNOST
  Je stärker die Politur, desto höher der Preis: Bei exklusiven Sake-Sorten verbleiben vom ursprünglichen Korn oft weniger als 50% – also nur mehr das ‘Herz des Reiskorns‘ ;-)
    Hilfreiche Schimmelpilze (Koji) am Werk: Sie verwandeln nicht nur die Reisstärke in Zucker, sondern sind
auch für den Umami-Geschmack von Sojasaucen verantwortlich.
OST
Poetisch formuliert könnte man sagen, dass Sake aus dem Herzen des Reiskorns entsteht. Als erster Schritt zu seiner Gewinnung werden nämlich Reiskörner so lange poliert, bis nur mehr ihr stärkehaltiges Innere verbleibt. In welchem Ausmaß diese ‘Politur‘ erfolgt, hängt von den geschmacklichen Nuancen ab, die im Endprodukt präsent sein sollen. Je weniger geschliffen wird, desto mehr werden (erdige) Reisnoten letztend- lich im Sake-Bouquet hervortreten. Hingegen führt die komplette Entfernung der mehrschichtigen Hülle (Sil- berhaut) zu dezent-fruchtig geprägten Ergebnissen. Dass das Ausmaß der Politur geschmacklich das End- resultat bestimmt, kennt man ja auch generell von den unterschiedlichen Sorten beim Kochreis: Während der lediglich von seinen äußeren Spelzen befreite (braune) Naturreis eher nussig-intensiv schmeckt, besitzen die weißen Kochreissorten filigrane Aromen, da bei ihnen auch die unmittelbare Kornhülle wegpoliert wird.
1 Produkt – 2 Begriffe...
Die Bezeichnung ’Sake‘ steht in Japan eigentlich für sämtliche alkoholische Getränke. Der Reiswein im Speziellen wird dort ‘Nihonshu‘ genannt. Außerhalb Japans hat sich jedoch der Begriff ‘Sake‘ als Synonym für Reiswein prägend eingebürgert, sodass er auch nachfolgend verwendet werden wird.
Von der Stärke zum Zucker
Wie eingangs bereits angeführt, besteht beim Sake (wie auch beim Bier) der erste biochemische Produktions- schritt in der Umwandlung der Getreide-Stärke zum Zu- cker. Beim Bierbrauen wird das durch Enzyme bewerk- stelligt, die von Natur aus in keimenden Gerstenkörnern entstehen. Das Keimen kann dabei durch Einweichen in Wasser angeregt werden. Aus dem anschließenden Trocknen bzw. Rösten der gekeimten Körner resultiert das Malz, welches bereits einen moderten Zuckergehalt aufweist (ca. 5%). Mit Zugabe von Wasser und Erwär- mung entsteht letztendlich eine sehr süße Lösung, die dann (wie Traubenmost) vergoren werden kann.
Andere Ausgangslage
Bei der Sake-Herstellung ist ein analoges Vorgehen zur Zuckergewinnung nur theoretisch möglich, da sich die Reiskörner beim selben Prozedere aus technischer Sicht ungünstig verändern. Ab dem fünften Jahrhundert standen jedoch in Japan aus China importierte Pilzkulturen (Aspergillus Oryzae) zur Verfügung, die mit ihren Enzymen ebenfalls den Umbau des Stärke-Zuckers bewerkstelligen konnten. Genau genommen stammt also der ‘Reiswein‘ ursprünglich aus China. Seine
14 S tyles MAGAZINE
Verfeinerung samt Aufbau einer differenzierten Sake- Kultur ist aber unbestreitbar ein japanisches Spezifikum.
Mikrobiologischer Alleskönner
In Japan wurden die hilfreichen Schimmelpilze, welche mühelos Reisstärke in Zucker verwandeln konnten, als ‘Koji‘ bezeichnet. Weil sich mit Beigabe von Koji auch andere biologische Grundbausteine wie Proteine und Fette umwandeln lassen, ist diese Pilzart übrigens auch für den Umami-Geschmack von Sojasaucen verant- wortlich. Am Beginn der Sake-Gewinnung wirken die Koji-Kulturen so intensiv, dass sie nur mit einem gerin- gen Teil der gesamten Reismenge in Verbindung ge- bracht werden müssen. Der Rest kann einfach in Form von gedämpften Reis gemeinsam mit Wasser in zwei
Grafik: wanamour
       SAKE CULTUR
















































































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